Mittwoch, 28. April 2010

Das letzte grosse Tabu

Ein Tabu ist eine gesellschaftliche Verhaltensregel, die etwas streng verbietet. Seitdem in modernen demokratisch liberalen Gesellschaften die Verhaltensregeln gesetzlich geregelt sind, spielten mindestens ein Jahrhundert lang Tabus im Leben der Menschen praktisch keine Rolle mehr.

Christliche Tabus? Selbst die schlimmste Blasphemie wird überhört. Wie sich leider zeigt, respektiert selbst ein Teil des Klerus nicht mehr unbedingt die eigenen Tabus.

Sexuelle Tabus? Sind nacheinander praktisch alle gefallen, hoffentlich mit Ausnahme von Pädophilie und Inzest.

Politische Tabus? Den Tatbestand der Majestätsbeleidung gibt es nicht mehr, und der Autoritätsglaube hat sich längst verflüchtigt.

Gesellschaftliche Tabus? Der 80 jährige darf sich ungeniert mit der 18 jährigen zeigen lassen, und natürlich auch die 50 jährige mit dem 20 jährigen. Schon lange dürfen Mann und Mann oder Frau und Frau öffentlich zusammen sein.

Moralische Tabus? Im Zeitater des Wertezerfalls könnten die meisten Menschen sich wahrscheinlich kaum auf gemeinsam respektierte Moralregeln einigen.

Die Gegenwart in freien Gesellschaften ist also eine wunderbare Zeit für Journalisten, für Kulturschaffende, für Satiriker. Man darf jedes Thema aufgreifen, alles kritisieren, alles dem Witz oder gar der Lächerlichkeit preisgeben. Oder etwa nicht?

In den USA - Hort und Beschützer der Freiheit - gibt es eine sehr populäre TV Satire namens South Park. Nur Schade, dass darin der sogenannte Prophet letzte Woche (indirekt) vorkam. Die auf einer entsprechenden Webseite veröffentlichte Drohung mit dem Tod der beiden verantwortlichen Medienschaffenden genügte, damit der Fernsehsender prompt die Sendung zensierte und eine Aufzeichnung davon aus dem Internet entfernte. Es fiel dabei der Name van Gogh - nicht der Maler, sondern der in Holland vor einigen Jahren von Islamisten auf offener Strasse brutal abgeschlachtete Filmregisseur.

Im vorauseilendem Gehorsam haben in den USA unter andere bereits die Yale University und das grosse Verlagshaus Random House (aus dem Hause Bertelsmann, dünkt mir) sich der Selbstzensur gegenüber dem Islam unterworfen. Auch die Deutsche Oper Berlin sah sich vor einiger Zeit genötigt, ihren Idomeneo eine zeitlang auszusetzen...

Jeusus, Moses, Krishna, Buddha, Lao Tse und alle anderen Religionsstifter dürfen in liberalen Demokratien Zielscheibe der Satire, der Karikatur, des Angriffs, selbst der Verunglimpfung sein. Aber das M-Wort darf nur mit Ehrfurcht, wenn überhaupt, von den niederen Ungläubigen erwähnt werden. Und ein M-Bildnis - das darf schon gar nicht gezeigt werden. Die Strafe für den Tabubruch - Tod dem Einzelnen; Mord, Totschlag und Zerstörung gegen ein Land oder ein Volk, das dies zulässt.

Und so ist unsere liberale, freie, demokratische Welt plötzlich zur Gefangenen eines fremden Tabus, dessen Einhaltung mit Gewalt oder deren Androhung durchgesetzt werden. Wenn wir uns nicht entschieden gegen den uns allen auferlegten letzten grossen Tabu wehren, wird nur noch eine kurze Zeit der Schande vor dem Untergang unserer Lebensweise stehen...

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