Es gibt wohl kaum Menschen guten Willens ausserhalb des arabisch-muslimischen Raumes, die nicht dafür wären, blutrünstige Tyranneien wie die im Iran der Mullahs, im Syrien der Alawiten oder im Libyen des Gaddafi Klans und sogar mildere Diktaturen wie die im Ägypten Mubaraks, im Tunesien Ben Alis, im Jordanien der fremde Haschemiten oder im Saudi Arabien der extremen islamistischen Wahabis zu beenden.
Als einer der einflussreichsten Wegbereiter des modernen arabischen Nationalismus gilt der christliche Libanese George Antonius, der in seinem 1938 erschienen Buch Das Arabische Erwachen seine Vision einer besseren Welt für die Region darlegt. Eine seiner Hauptthesen besagt, dass der zunehmende technische Fortschritt und die sich ausweitende säkulare Bildung (dabei setzte er stark auf die Verbreitung der englischen Sprache!) der arabischen Völker Demokratisierung und Toleranz mit sich bringen würde.
Und tatsächlich, der auch durch die Globalisierung ausgelöste technische Fortschritt, gekoppelt mit der zunehmenden Bildung der Bevölkerung - die man eigentlich überall in den von Aufständen betroffenen Staaten (ausser vielleicht in Jemen und Bahrain) feststellen kann - haben das Fass des unter Tyrannen und Despoten erträglichen zum Überlaufen und die sogenannte Volksseele zum Kochen gebracht. Aber welche Chancen hat dabei die Vision des George Antonius - nämlich der Übergang zu toleranten Demokratien - in der gegenwärtigen Realität des zunehmenden Islamismus?
Ägypten, das am weitesten entwickelte Land, mit einer relativ grossen gebildete Mittelschicht und einer gefestigten Zivilisation ohne ethnische Minderheiten (jedoch mit einer substantiellen christlichen Bevölkerung, die letzte noch einigermassen tolerierten in einem muslimischen Staat) kann uns als Beispiel dienen. Und was haben wir denn zum Thema erlebt, beispielweise vorgestern Freitag auf dem mittlerweilen berühmten Tahrir Platz in Kairo?
Da war auf der einen Seite der vom Exil nach Ägypten zurückgekehrte 84 jährige Yusuf al-Qaradawi, ein Weggefährte der ersten Stunde des Sabri al-Banna, dem Gründer des Ikhwan-al-Muslimun, der berüchtigten Islam Brüderschaft. Qaradawi, dem die Einreise in die USA und in Grossbritannien offiziell verwehrt ist, hat unter anderem
das Werk Islam: die zukünftige Zivilisation verfasst, in dem er die Weltherrschaft des Islams vorhersagt und verherrlichtim Al Jazeera Fernsehen, seinem Hausorgan, öffentlich verkündet, dass der Islam im Falle von Israelis das Töten von Frauen und Kindern erlaubedie islamische Todesstrafe für Homosexuelle (von der die Steinigung nur eine Variante darstellt) bestätigtDa war aber auch noch der 30-jährige Wael Ghonim, einer der Gesichter des ägyptischen Umsturzes. Ghonim hat unter anderem
Computerwissenschaften, Finanzen und Marketing in Kairo studiertdas erfolgreichste online Finanzportal der arabischen Welt, nämlich mubasher.info, gegründetvon Dubai aus das Marketing von Google in der Region mitgestaltetYusuf al-Qadarawi sprach auf dem Tahrir Platz vor schätzungsweise zwei Millionen Ägypter, und in seiner Rede war mitnichten von Toleranz und Freiheit, sondern lediglich von islamische Demokratie zu hören (letztere existiert übrigens, in der schiitischen Variante, bereits im Mullah Staat Iran).
Und nun versuchte auch Wael Ghonim, eine ägyptische Flagge in Händen, auf das Rednerpodium zu gelangen, um sich an die Bevölkerung zu wenden. Doch daran wurde er gewaltsam von bewaffneten Schergen - die "Bodyguards" Qaradawis von der Islamischen Brüderschaft - gehindert.
Die letzte Szene dieses life Minidramas zeigt wie sich Wael Ghonim, sein Körper in der ägyptischen Fahne gehüllt, mit gesenktem Kopf vom Rednerpodium des Tahrir Platzes entfernt.
Wenn Qaradawi die Zukunft Ägyptens symbolisieren sollte, wäre Wael Ghonims dem sicheren Tode geweiht.
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