Mittwoch, 9. Februar 2011

Der Mittlere Osten und die allzu langsame Abwicklung des Osmanischen Reiches

Es hat beinahe hundert Jahre gedauert, aber die Folgen des Ersten Weltkries und des Unterganges des Osmanischen Reiches werden für alle, für die Geschichte bekannt und bewusst ist, sichtbar - und wie selbstverständlich nicht für die politisch korrekten, von keinerlei relevanten Kenntnissen getrübten Medienleuten, die der Weltöffentlichkeit die derzeitigen Ereignissen "vermitteln".



Obwohl die Aufstände in verschiedenen Ländern Nahosts vordergründig wie die Revolte der verarmten Mittelklasse und teilweise der Habenichte gegen eine kleine Schicht, welche Macht und Reichtum hortet, aussehen, greift eine rein soziologische oder wirtschaftliche Erklärung zu kurz.

Nach beinahe hundert Jahren werden nämlich auch endlich die Folgen des Zusammenbruches des Osmanischen Reiches im ersten Weltkrieg und der kolonialistische "Ordnung", die von Grossbritannien und Frankreich der Region auf erzwungen wurden, verarbeitet.

So wird in Ägypten nach verschiedenen Revolten der Zwischenkriegszeit ein neuer Versuch unternommen, das von den Briten eingeführte System der quasi absoluten Monarchie, welches nach 1952 beinahe unverändert jedoch unter dem Deckmantel der konstitutionellen Republik fortgesetzt wurde, zu reformieren oder gar abzuschaffen.

Eng mit Ägypten verbunden, obwohl nicht Teil des Osmanischen Reiches, war der Sudan, da beide Länder unter britischer Oberherrschaft eine Verwaltungseinheit bildeten. Und die im Krieg erzwungene und an der Urne beschlossene Teilung des künstlichen Landes wirkt wie ein Fanal auf andere "Staatengebilde" der Region, nicht zuletzt auf dem sudanesischen Rumpfstaat im Norden selbst.

Als Folge des Ersten Weltkrieges und des Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, und nicht zuletzt dank der Geheimverträge der europäischen Diplomaten Sykes und Picot sind Irak, Libanon und Syrien künstliche Vielvölkerstaaten. Jordanien, 1922 als Transjordanien widerrechtlich vom Mandatsgebiet Palästina, welches als jüdische Heimstätte vom Völkerbund anerkannt worden war, abgetrennt und den aus der Wüste Saudi-Arabiens vertriebenen Beduinenhäuptlinge als Königreich von Britanniens Gnaden geschenkt, könnte künstlicher nicht sein.

Im Irak ist es seit langem offenkundig, dass drei Volksgruppen- nämlich Sunniten, Schiiten und Kurden - ihre eigenen getrennten Staatlichkeiten erlangen würden, wenn man sie nur liesse.

Im Libanon zeigt sich spätestens seit dem blutigen Bürgerkrieg der 70'er und 80'er Jahre, dass eine grosse christliche Bevölkerung nicht gleichberechtigt mit Muslimen in einen Staat leben darf und sollte, wenn sie überleben will.

Die Unruhen in Jordanien zeigen je länger desto mehr auf, dass eine unterdrückte palästinensische Mehrheit nicht mehr gewillt ist, von einer bewaffneten Beduinenarmee entrechtet zu werden. Vom blutig unterdrückten Aufstand 1950 im damals noch jordanisch besetzte Ostjerusalem bis zu den Gemetzeln des Schwarzen Septembers in 1970 und darüber hinaus zieht sich der Faden von Unterdrückung und Aufstand bis zur Gegenwart. Wer weiss denn schon, dass die jordanische Armee im Namen ihrer kleinen Könige schätzungsweise zwanzig Mal mehr Palästinenser getötet hat, als es der jüdische Staat in Jahrzehnten der Selbstverteidigung jemals getan hat?

Es brodelt auch in Syrien. Kein Wunder, denn der Vielvölkerstaat wird von der Minderheit der Alawiten, welche nicht einmal 15% der Bevölkerung ausmacht und von einen korrupten Familienklan angeführt wird, beherrscht.

Vielleicht zur Überraschung einiger meiner Leser - und sicherlich von den vielen naiven Menschen, welche der herrschenden tendenziösen politisch korrekten Propaganda schutzlos ausgesetzt sind - die Erkenntnis, dass im gesamten nahen Osten, wie er sich geopolitisch heutzutage darstellt, nur Israel und Ägypten echte Nationalstaaten sind, welche von der überwältigen Mehrheit ihrer Bevölkerung getragen werden.

Die Forderung nach Selbstbestimmung ist noch lange nicht erfüllt - weder für die Kurden im Irak, in Syrien, und in der Türkei (das Kernland des Osmanischen Reiches), auch nicht für die Christen im Libanon oder für die Sunniten in Syrien, geschweige denn für die Palästinenser in Jordanien.

Die Mühlen der Geschichte mahlen zwar frustrierend langsam, aber sie mahlen stetig...

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